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12. Juni 2003: Kapielskis Erzählungen gehören zum Komischsten und Witzigsten, was derzeit in deutscher Sprache zu lesen ist. Er brilliert als Meister des "stream of drunkenness", seine bevorzugten Stilmittel sind Parodie und Komik, seine Kunstphilosophie ist radikaler Dilettantismus. Die brillant und unspektakulär, ohne Rücksicht auf guten Geschmack, politische Korrektheit oder Etiketten des Zeitgeistes fabulierten Anekdotenwucherungen enthalten jede Menge übler Kalauer, derbe Zoten und Zornespassagen und haben fast immer mit dem ausdauernden und mit Absicht forcierten Scheitern Kapielskis zu tun: dem Scheitern als Maler, Musiker, Schreiber, Künstler und überhaupt als nützliches Mitglied der Gesellschaft. Thomas Kapielski ist KULT, und das nicht erst seit seinem Auftritt beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt, wo er Literaturbetrieb und Debütantenrummel mit seinem komisch-witzigen pseudo(?)autobiografischen Tresengenöle aufmischte und Gelächter im Publikum, leeres Schlucken jedoch bei der Jury hervorrief. Wir dürfen gespannt sein, was er diesmal aus seiner abgefuckten, symbiotisch mit ihm verwachsenen Aktentasche kramen wird... (Wer nicht kommt ist doof!) Thomas Kapielski (Jg. 1951), studierte ordentlich Geografie, Philologie und Philosophie ("für Mutti"), war Musiker, Kunstschaffender, Vortragsreisender, Dozent und ständig Fotograf, jetzt Prof in Braunschweig. Lebt in Berlin. Zahlreiche Musik- und Aktionsauftritte, Ausstellungen, Kataloge, Schallplatten, Hörspiele und Filme. Veröffentlichungen u.a.: Aqua Botulus (1992), Der Einzige und sein Offenbarungseid (1994), Nach Einbruch der Nüchternheit (1996), Davor kommt noch (1998), Danach war schon (1999), Sozialmanierismus (2001), Abstehende Röhren (2002).
Jakob Hein, 1971 in Leipzig geboren, schrieb mit sechs Jahren seine ersten Geschichten und las sie seiner Mutter vor. Später entdeckte er die Möglichkeit, seine Geschichten auch anderen Leuten vorzulesen. Das macht er heute jeden Sonntag im Berliner Kaffee Burger auf der Reformbühne "Heim und Welt" (www.reformbuehne.de). Nach dem erfolgreichen Erzählband Mein erstes T-Shirt legt Jakob Hein mit Formen menschlichen Zusammenlebens seinen ersten Roman vor. Im wirklichen Leben ist Jakob Hein Arzt an der Berliner Charité.
Jeder, der „Die Simpsons“ regelmässig kuckt, kennt Barney, die ewige Barfliege, den Alkoholiker, Rülpser und Kumpel. Falko und Jakob beschäftigen sich aber auch mit dem begnadeten Sänger, preisgekrönten Filmemacher, avantgardistischen Künstler, Hubschrauberpiloten und inzwischen trockenen Erfolgsmenschen Barney Gumble und seiner Kindheit, die grausam endete, als Homer Simpson ihn mit einer Flüssigkeit namens „Bier“ bekannt machte....
Nach einer Lesung und einer versumpften Nacht lief „Matthias“ BAADER Holst 28jährig in eine Straßenbahn und starb am 30. Juni 1990, rechtzeitig vor der Währungsunion. Freunde BAADERs sahen seinen Tod als programmatischen "Abgang", als konsequente Reaktion auf die Vereinnahmung seiner alten Lebenswelt und die "BRDigung des DDR-Untergrunds". Der Schriftsteller, Punkmusiker (Die letzten Recken, Frigitte Hodenhorst Mundschenk) und Aktionist erlangte er zu Lebzeiten nur in bestimmten Kreisen Kultstatus. Mit dem etablierten Untergrund wollten BAADER und sein Freund Peter Wawerzinek nichts zu tun haben, und so tourten die beiden durch die Republik, traten auf bei Hochzeitsfeiern, Parties... "Das Interesse war immer so: Statt gegrillte Bockwurst kommt jetzt Lyrik".
1996 fand im Café Wagner unter dem Titel "amselzwang" eine vielbeachtete Ausstellung zu dem vielleicht sprachgewaltigsten Dichter der sogenannten DDR-Subkultur statt. Seitdem gibt es hier immer wieder Veranstaltungen, die die Erinnerung an Werk und Person dieses "okkupationsmelancholischen" Dichters wachhalten. POESIE SCHMECKT GUT präsentiert (wie jedes Jahr) zum 13. Todestag von BAADER den Film Briefe an die Jugend des Jahres 2017, der kurz vor dessen Tod entstand.
Die ostalgische Flutwelle rollt und rollt und rollt und wird kommerziell immer fetter gemästet, damit sich die DDR-Retrokacke noch besser verkaufen lässt. Schnattchen und Pitti tanzen auf Kati Witts Couch und verputzen genüsslich Halorenkugeln, Spreewaldgurken und Schwedeneisbecher. Alles ist so schön klamaukig, und es kann einem ganz schwummerig bis kotzübel werden davon. Man fragt sich sogar für einen kurzen Moment, ob man richtig gelegen hat mit seiner instinktiven Abwehr gegen den realsozialistischen Staat und Piefke & Schniefke. Um wieder klar zu sehen, hilft das Buch von Claudia Rusch „Meine freie deutsche Jugend“, das wie eine argumentative Kaimauer wirkt, an der sich jeglicher Hype brechen muß:
Claudia Rusch, die im Umfeld der DDR-Bürgerrechtsbewegung aufwuchs, hat die DDR erlebt und nicht recherchiert, was sie von Jana Hensel und einer Reihe jüngerer Autoren, die sich an der literarischen Bearbeitung von DDR-Geschichte versucht haben, unterscheidet. Sie erzählt in ihren Erinnerungsgeschichten pointiert und mit viel Gefühl, wie sie unter kaum glücklich zu nennenden Umständen eine glückliche Kindheit verlebte, auch wenn die bitteren Erfahrungen nicht ausblieben. Ihre 25 Geschichten handeln von skurrilen Begegnungen eines Kindes mit der Staatsmacht, der Sehnsucht nach dem West-Riegel „Raider“, von der Jugendweihe und wie es ist, wenn man als Kind in einer DDR-Schule den schönsten Panzer malt und die Eltern zu Hause „Soldaten sind Mörder“ darauf schreiben, was passiert, wenn man in dem festen Glauben aufwächst, Kakerlaken seien Stasi-Spitzel und wer am meisten bestürzt ist, als die kleine Göre in der überfüllten S-Bahn auf dem Schoß eines erschrockenen Polizisten Honecker-Witze zum Besten gibt. Rusch zerstreut mit ihrem leichten, von Ironie und manchmal von Sarkasmus durchdrungenen Ton schnell Befürchtungen, dass ihre mit dem Mauerfall endende DDR-Jugend ein sprödes Thema sein könnte. Ihr Buch ist kein weiteres Stück Bekenntnis- oder Rechtfertigungsliteratur, kein Versuch, Widerstand nachzuholen, sondern ein amüsantes und völlig unsentimentales Buch über ein etwas anderes Großwerden in der DDR.
Franzobel (Wien): Luna Park und andere Leckereien aus Amok-Austria:
Vergnügungsgedichte, Verlockungen, Eruptionen, Sprachkaskaden: Franzobels Gedichte aus eineinhalb Jahrzehnten.
Mit Urgewalt explodiert die Sprache, gleich einem Wortrausch bricht sich der Rhythmus seine Bahn und schafft neue Wirklichkeiten: Wie Fieberschübe komme das Schreiben von Gedichten ein, zwei Mal im Jahr über ihn, sagt Franzobel. Innerhalb kurzer Zeit entstehen dann ganze Zyklen, die zuerst auswuchern zu ungeheuren Gebilden und dann als "Sprachblumen" erblühen. Aus fünfzehn dieser, seit Anfang der neunziger Jahre geschaffenen Eruptionen hat der "sprachmächtige Verbalerotiker" (Ulrich Weinzierl, Die Literarische Welt) erstmals eine Auswahl getroffen.
Wieso setzen Jack Nicholson in „Wolf“ und Marilyn Monroe in „Wie angelt man sich einen Millionär?“ ihre Brillen ab? Wieso dürfen sie Liza Minelli in „Pookie“, Michael Caine in „Pulp“ und Barbara Belgeddes in „Vertigo“ aufbehalten? Wieso weiß Jenni Zylka, Autorin des Megabestsellers „1000 neue Dinge, die man bei Schwerelosigkeit tun kann“ so viel darüber?
So ziemlich alles über Fehlsichtigkeit im Film kann man heute Abend anhand von Filmbeispielen mit streng pseudowissenschaftlichen Begleitvorträgen lernen. Außerdem liest Weichlinsenträgerin Jenni Zylka, -3,5 und –3,75 Dioptrin, aus ihrem Megabestseller ein paar Stellen vor, die sich gewaschen haben und zeigt dazu Dias, damit man nicht die ganze Zeit auf sie allein gucken muss. Also kommt alle und bringt um Gottes Willen Eure Sehhilfen mit! 20. April 2004
Im tiefsten Sachsen-Anhalt gestrandet, wartet der westdeutsche Privatdetektiv Hank Meyer auf neue Herausforderungen. Einstweilen bestreitet er als bekennender Country-Fan die Radiosendung “Lost Songs Found” und feiert mit den Kumpels philosophische Trinkgelage.
Doch dann wird die Moderatorin Gerda Lattke im Funkhaus ermordet aufgefunden. Der Sohn der Verstorbenen bittet Meyer, den Fall zu übernehmen. Er ist aus New Orleans angereist und traut der örtlichen Polizei nicht. Meyers bester Freund, der Nachrichtenredakteur Heuser, hilft bei der Recherche und stellt fest, dass Gerda Lattke zu Lebzeiten unter dem Decknamen IM Maja allerlei Unfrieden gestiftet hat. Handelt es sich um einen späten Akt der Rache? Weitere Infos unter: www.osthighway.de Einige Bilder des Abends, an dem der gutgelaunte Autor sich schuldig bekannte, den grauenhaften Ost-Shows mit Axel Schulz & Kati Witt mit seinem Roman Vorschub geleistet zu haben: 27. April 2004 Am 26.04.1986 explodierte ein Reaktor des Atomkraftwerkes Tschernobyl. 18 Jahre später liest Annett Gröschner aus ihrem Buch über das Kernkraftwerk Rheinsberg, das erste Kernkraftwerk der DDR. Weitere Infos unter: www.kontextverlag.de/kontrakt.html Einige Bilder des Abends (mit Bildern):
25. Mai 2004
Überall und genau in diesem Moment "werden Patente vergeben / für Vergeudung, Vergiftung, für die Ausrottung ganzer Völker", "treibt / ein Vater dem Sohn einen Stock in den Hintern", drückt ein "Geckometzger... auf den Bauch des Reptils / und schneidet mit der Schere / die Augen ab". Die Welt ist nun einmal so unappetitlich wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch - oder wie ein Langgedicht des Sprachberserkers Paulus Böhmer, der in seinem opus magnum "Kaddish" satanisierend, folternd, brandschatzend, schändend und hymnisch preisend durch Gedankengebäude von Literatur, Kunst, Philosophie und Naturwissenschaften zieht. Eine Gemeinschaftsveranstaltung mit dem Lese-Zeichen e.V. Weitere Infos unter: www.schoeffling.de
11.Juni 2004
Seitdem sich Falko Hennig und Jakob Hein in Filmvorträgen mit Drogenmißbrauch und Suchtpersönlichkeiten in Springfield auseinandersetzen, haben sie nicht wenig mit Herschel Krustofski zu tun, den die meisten als Krusty den Clown kennen. Erinnert sei an Krustys Anfänge als Straßenkomiker in Tupelo, Mississippi, oder an seine anatomischen Besonderheiten: er hat drei Brustwarzen und einen Herzschrittmacher mit einer großen Narbe. Nachdem Krustys Drogenkarriere in den 70er Jahren trotz verschiedentlicher Rückfälle als abgeschlossen gelten kann, ist er doch weiterhin süchtig nach Nikotin, Alkohol, Glücksspielen und Pornos. Dabei ist Krusty der einzige Sohn des ehrenwerten Rabbi von Springfield, der ihn von ganzem Herzen liebte, bis er auf einem Rabbinerkongreß herausfand, daß der Clown auf der Bühne sein Sohn war. Jetzt gehört Krustys Show zu den beliebtesten Fernsehshows in Springfield. Die Kinder lieben sie, von den Eltern und Erziehern hingegen wird sie als gewaltverherrlichende Verblödung verteufelt. Krusty ist nicht nur ein Clown, sondern auch ein guter Geschäftsmann, so z.B. als Oberhaupt der Krusty-Burger-Kette und Erfinder von Krusty's Non-Narkotic Kough Syrup und und und.... dabei bleiben Kontakte zur Mafia natürlich nicht aus... Zum 14. Todestag von „Matthias“ BAADER Holst: "Briefe an die Jugend des Jahres 2017" - Film von Erich Maas (KINO IM KELLER)
Nach einer Lesung und einer versumpften Nacht lief „Matthias“ BAADER Holst 28jährig in eine Straßenbahn und starb am 30. Juni 1990, rechtzeitig vor der Währungsunion. Freunde BAADERs sahen seinen Tod als programmatischen "Abgang", als konsequente Reaktion auf die Vereinnahmung seiner alten Lebenswelt und die "BRDigung des DDR-Untergrunds". Der Schriftsteller, Punkmusiker (Die letzten Recken, Frigitte Hodenhorst Mundschenk) und Aktionist erlangte er zu Lebzeiten nur in bestimmten Kreisen Kultstatus. Mit dem etablierten Untergrund wollten BAADER und sein Freund Peter Wawerzinek nichts zu tun haben, und so tourten die beiden durch die Republik, traten auf bei Hochzeitsfeiern, Parties... "Das Interesse war immer so: Statt gegrillte Bockwurst kommt jetzt Lyrik".
1996 fand im Café Wagner unter dem Titel "amselzwang" eine vielbeachtete Ausstellung zu dem vielleicht sprachgewaltigsten Dichter der sogenannten DDR-Subkultur statt. Seitdem gibt es hier immer wieder Veranstaltungen, die die Erinnerung an Werk und Person dieses "okkupationsmelancholischen" Dichters wachhalten. POESIE SCHMECKT GUT präsentiert (wie jedes Jahr) zum 14. Todestag von BAADER den Film Briefe an die Jugend des Jahres 2017, der kurz vor dessen Tod entstand.
Bastian Böttcher (*1974 in Bremen), Stimme der HipHop-Formation Zentrifugal, war Anfang der 90er Jahre der erste deutschsprachige Rapper, der seine Texte als neue Form von Lyrik bei literarischen Veranstaltungen auf die Bühne brachte. Für seine Performances entwickelte er eine verdichtete und poetische Form von Rap, die in der Tradition afro-amerikanischer Spoken-Word-Performances steht. Böttchers unglaublich kompakt und fließend montierte Langzeilen treiben von Spirale zu Spirale, spielen mit Wörtern und Bedeutungen, sind Lust an der Sprache, Selbstreferenz à la HipHop, erlesenste Reimkunst und Geschichten-erzählen in einem.
Tracy Splinter (*1971 in Kapstadt, Südafrika) gehört zu den populärsten internationalen Performance-Poetinnen und gewann 1999 als erste – und bislang einzige – Frau den deutschen National Poetry Slam! Ihre Performances gehen über das, was man auf Poetry Slams normalerweise geboten bekommt, weit hinaus: Tracy verkörpert ihre feinst geschliffenen, ausgeklügelten und faszinierenden Lyrics bis in jede Silbe hinein. Die menschliche Stimme wird hier Gestaltungs-, ja Musikinstrument, Literatur wird körperlich oder, wie Tracy selbst es formuliert: "I propose a tribal dance that is syntax and synaesthesia / A romance of sound and semantics". Tracy Splinter, das ist große Könnerschaft, pure Sprachlust und geballte Energie!
Toby Hoffmann (*1980), Poetry-Partisan aus Ravensburg, ist Lyriker, Performance-Poet, Wortschmied, Musiker, Organi-sator und Zeremonienmeister von Poetry Slams sowie Herausgeber in einer Person. Auf nationalen und inter-nationalen Poetry Slams performt der "Dichter aus Betroffen- und Besoffenheit" überaus erfolgreich Haßtiraden, Abgesänge, Sex- und Liebesgedichte, die erschreckende und faszinierende Szenarien entwerfen – Traumwelten, die manchmal bedrückend real erscheinen. Toby läßt sich von der Sprache treiben, schneidet Texte auseinander und setzt sie neu zusammen, so daß bizarre Schnappschüsse, sinnierend-poetische Sprachbilder oder treibende, ruhelose Assoziationsketten entstehen.
Zwischen den Spoken-Word-Performances der Slamautor/innen wird Bridge Markland (*1961 in Berlin), international bekannte Tanz-Theater-Performance-Künstlerin, mit verschiedenen Kurzperformances, die solch vielversprechende Titel wie "Die schönste Frau der Welt", "Sweet T." und "Tischtanz" tragen, auftreten. Bridge Markland ist eine Virtuosin des Rollenspiels und der Verwandlung, ein Chamäleon, welches sich in viele Extreme begibt, ohne sich auf eines festlegen zu lassen. Dabei bewegt sie sich zwischen Sub- und Hochkultur, zwischen Tanz, Theater, Performance, Literatur und Erotik und scheint mit Leichtigkeit alle herkömmlichen Grenzen zu überschreiten.
Jenni Zylka (*1969 in Niedersachsen), freie Journalistin in Berlin (u.a. Autorin der taz-Kolumne "Pest & Cholera") und Geheimagentin, hofft mit ihren Büchern irgendwann so viel Geld zu verdienen, daß sie zusammen mit einem überkandidelten Millionär auf den Mars fliegen kann.
Jana Scheerer (*1978 in Bochum) hat 2004 mit Mein Vater, sein Schwein und ich (Schöffling & Co) ihr literarisches Debüt in Gestalt eines skurrilen Familienalbums vorgelegt. In den darin versammelten und chronologisch zu einer Art Lebenslauf geordneten Geschichten mit Titeln wie "Bevor ich auf die Welt kam, waren meine Eltern schwarzweiß" oder "Während ich geboren wurde, jagte mein Vater einen Grizzlybären" versucht der Vater mit Hilfe eines Mietschweins, die Familienharmonie wiederherzustellen oder die gerade von ihrem Freund verlassene Tochter mit einem Double des Verflossenen zu trösten. Mit ihrer außergewöhnlichen Phantasie, dem abgründigen Humor und einem ganz eigenen, schrägen Ton stellt die Autorin den Alltag einer Durchschnittsfamilie in Westberlin auf den Kopf.
Frank Schulz' Welt sind die Hamburger Eckkneipen, Orte, an denen das Land zusammentrifft: vom Arbeitslosen bis zum Manager, alle gleichgemacht durch die Kraft des Bieres. Als "Meister der Komik" wird Schulz (*1957 in Hagen bei Stade) immer wieder vorgestellt - ein Lob, das ihm nicht unverdient zukommt und doch zu kurz greift. Jenseits der immer wieder mit Arno Schmidt verglichenen Art, mit der vor allem in dem Säuferroman Kolks blonde Bräute der auch aus Werner-Comics bekannte Volltrunkenenjargon buchstabengetreu protokolliert wird, gibt es in Morbus fonticuli sehr kurzweilige Passagen, in denen er die Welt eines Anzeigenblatts detailgenau schildert. Hier zeigt sich Schulz' eigentliche Stärke, die zusammen mit dem Talent, unterhaltsam zu schreiben, überhaupt erst das Besondere seiner Bücher ergibt: die treffende Charakterisierung seines Milieus.
Beschließen wird den Abend mit Maren Strack (*1967 in Hamburg) eine Künstlerin, die sich zwischen Bildhauerei, Performance und Tanz bewegt. "Basismaterial" ihrer Arbeit ist der eigene Körper, den sie in Kräfteverhältnisse zu Maschinerien und Mechanismen setzt.
27. November 2004:
Bernd Kramer gibt als Hälfte des "Karin-Kramer-Verlages" seit mehr als 20 Jahren anarchistische Klassiker, sozialrevolutionäre Aktionsprogramme, Texte aus dem surrealistischen Umfeld und andere seltsame Dinge heraus. Fast jede/r lesende Linksradikale wurde mit Kramer-Büchern sozialisiert. Jüngst hat er Gefundene Fragmente – 1967 bis 1980 verlegt, in denen die Rebellion der Studentenbewegung – vom Tod Benno Ohnesorgs über die APO, die Haschrebellen bis zum Attentat auf Rudi Dutschke – lebendig wird: illegale Flugblätter, anarchistische Traktate, Weiberräte, Kommunen usw.
Bert Papenfuß (*1956 in Reuterstadt Stavenhagen), Mitherausgeber der Zeitschrift Gegner und seit einiger Zeit Betreiber des Kaffee Burger, ist der-jenige Dichter unter der verbliebenen Schar der Poeten der "Prenzlauer Berg-Connection", der am schwersten anzu-treffen ist - physisch und geistig. Er ist eine schweifende Existenz, poetischer Kamikaze-Flieger, lebende Bombe, un-sicherer Kantonist. In seinem neuesten Werk, der Rockoper Rumbalotte continua, unternimmt er anhand der Störtebecker-Geschichte einen Streifzug durch die Geschichte der Anarchie:
Für den Berliner Stadtphilosophen Thomas Kapielski (*1951 in Berlin) war 2002 das Jahr des Hinnehmens, 2003 das Jahr des Durchstehens und ist 2004 das Jahr des Standhaltens. Sein neuestes Werk Weltgunst versammelt Aphorismen, Geschichtchen, Kalauer & Sinnsprüche aus dieser Zeit, größtenteils genialer Natur: "Ein Tag ohne Bier ist wie ein Tag ohne Wein." Kapielski fühlt sich am wohlsten, wenn ein Engel des Herrn zu ihm ans Bett kommt und ihm befiehlt, unverzüglich 14 Halbe trinken zu gehen. Dann marschiert er los und gibt sich "das himmlisch verordnete Quantum". Ruhig sitzend und trinkend betrachtet er die Kuriositätenkabinette um sich herum, kritzelt mit, was er so hört, oder denkt einfach mal nur: "Wie schön ein Regen ist!". Sprachlich wie gedanklich ist er der unnachahmlichste lebende deutsche Schriftsteller. Und ein feiner Mensch ist er sowieso, der Kapielski!
Etta Streicher, Performance-Poetin und ausgekochte Clownesse, zeigt mit ihren Gedichten, daß es auch heute möglich ist, kritische Gedanken und Sprachspiele in einwandfreie Verse zu gießen und diese auch noch hervorragend vorzutragen. Mit ihrem Wohncaravan düst sie quer durch die Republik und erfreut die Bühnen allerorts mit ihren hintersinnig-komödiantischen Texten über skurrile Träume und Erlebnisfantasien. 2000 gewann sie den deutschen "Grand Slam".
Sebastian Krämer (*1975), zweimaliger National Slam-Winner (2001 & 2003), dazu Europameister im Strip-Maumau & Guiness-Rekordhalter im Langzeitmoderieren, ist ein Meister der Assoziationsakrobatik. Sein Repertoire reicht von jambischer Randale bis zur Stand-up-Novelle. Das Ergebnis sind Lieder & Texte, die harmlos beginnen und in Wahnwitz eskalieren: Erkunden Sie paranormale Aspekte des Straßenbahnfahrens und lassen Sie sich aus erster Hand schildern, was es heißt, mit einer Giraffenphobie im Alltag zurechtzukommen...
Katinka Buddenkotte (*1976), das "Fräuleinwunder der Untergrund-literatur" (taz), räumt bei den Poetry Slams quer durch die Republik regelmäßig ab. In ihrer ironischen Prosa und charismatischen Lyrik über die Absurditäten des täglichen Lebens schildert sie ihre ersten Knutsch-erfahrungen in Hobbykellern, unterrichtet die männlichen Zuhörer über die Geheimnisse des Frauenarzt-besuches und bedauert, daß der französische Autorenfilm nicht tot ist...
Lasse Samstroem, der nach einer Karriere als Sänger der Punkband “Amoklaufende Frittenbuden“ als Newcomer der letzten Jahre in der deutschen Slamszene landete und im Jahre 2002 mit seiner Performance über den männlichen „Mensesneid“ Meister des “National Slam“ 2002 in Bern wurde, ist vor allem wegen seines Brachialcharmes bekannt. Seine Sprachperformances fangen da an, wo Helge Schneider aufhört, nicht nur, weil er auch niederländisch slammen kann, sondern vor allem dank seiner berühmt-berüchtigten Schüttelreime, die ihm den Ruf des Schüttelreimkönigs einbrachten.
30. Juni 2005
Nach einer Lesung und einer versumpften Nacht lief „Matthias“ BAADER Holst 28jährig in eine Straßenbahn und starb am 30. Juni 1990, rechtzeitig vor der Währungsunion. Freunde BAADERs sahen seinen Tod als programmatischen "Abgang", als konsequente Reaktion auf die Vereinnahmung seiner alten Lebenswelt und die "BRDigung des DDR-Untergrunds". Der Schriftsteller, Punkmusiker (Die letzten Recken, Frigitte Hodenhorst Mundschenk) und Aktionist erlangte er zu Lebzeiten nur in bestimmten Kreisen Kultstatus. Mit dem etablierten Untergrund wollten BAADER und sein Freund Peter Wawerzinek nichts zu tun haben, und so tourten die beiden durch die Republik, traten auf bei Hochzeitsfeiern, Parties... "Das Interesse war immer so: Statt gegrillte Bockwurst kommt jetzt Lyrik".
1996 fand im Café Wagner unter dem Titel "amselzwang" eine vielbeachtete Ausstellung zu dem vielleicht sprachgewaltigsten Dichter der sogenannten DDR-Subkultur statt. Seitdem gibt es hier immer wieder Veranstaltungen, die die Erinnerung an Werk und Person dieses "okkupationsmelancholischen" Dichters wachhalten. POESIE SCHMECKT GUT präsentiert (wie jedes Jahr) zum 15. Todestag von BAADER den Film Briefe an die Jugend des Jahres 2017, der kurz vor dessen Tod entstand.
1. Dezember 2005 Kapielskis Erzählungen gehören zum Komischsten und Witzigsten, was derzeit in deutscher Sprache zu lesen ist. Er brilliert als Meister des "stream of drunkenness", seine bevorzugten Stilmittel sind Parodie und Komik, seine Kunstphilosophie ist radikaler Dilettantismus. Die brillant und unspektakulär, ohne Rücksicht auf guten Geschmack, politische Korrektheit oder Etiketten des Zeitgeistes fabulierten Anekdotenwucherungen enthalten jede Menge übler Kalauer, derbe Zoten und Zornespassagen und haben fast immer mit dem ausdauernden und mit Absicht forcierten Scheitern Kapielskis zu tun: dem Scheitern als Maler, Musiker, Schreiber, Künstler und überhaupt als nützliches Mitglied der Gesellschaft. Thomas Kapielski ist KULT, und das nicht erst seit seinem Auftritt beim Ingeborg-Bachmann-Wettlesen in Klagenfurt, wo er Literaturbetrieb und Debütantenrummel mit seinem komisch-witzigen pseudo(?)autobiografischen Tresengenöle aufmischte und Gelächter im Publikum, leeres Schlucken jedoch bei der Jury hervorrief. Wir dürfen gespannt sein, was er diesmal aus seiner abgefuckten, symbiotisch mit ihm verwachsenen Aktentasche kramen wird... (Wer nicht kommt ist doof!) Thomas Kapielski (Jg. 1951), studierte ordentlich Geografie, Philologie und Philosophie ("für Mutti"), war Musiker, Kunstschaffender, Vortragsreisender, Dozent und ständig Fotograf, jetzt Prof in Braunschweig. Lebt in Berlin. Zahlreiche Musik- und Aktionsauftritte, Ausstellungen, Kataloge, Schallplatten, Hörspiele und Filme. Veröffentlichungen u.a.: Aqua Botulus (1992), Der Einzige und sein Offenbarungseid (1994), Nach Einbruch der Nüchternheit (1996), Davor kommt noch (1998), Danach war schon (1999), Sozialmanierismus (2001), Abstehende Röhren (2002).
8. Dezember 2005
3. Juli 2006
Nach einer Lesung und einer versumpften Nacht lief „Matthias“ BAADER Holst 28jährig in eine Straßenbahn und starb am 30. Juni 1990, rechtzeitig vor der Währungsunion. Freunde BAADERs sahen seinen Tod als programmatischen "Abgang", als konsequente Reaktion auf die Vereinnahmung seiner alten Lebenswelt und die "BRDigung des DDR-Untergrunds". Der Schriftsteller, Punkmusiker (Die letzten Recken, Frigitte Hodenhorst Mundschenk) und Aktionist erlangte er zu Lebzeiten nur in bestimmten Kreisen Kultstatus. Mit dem etablierten Untergrund wollten BAADER und sein Freund Peter Wawerzinek nichts zu tun haben, und so tourten die beiden durch die Republik, traten auf bei Hochzeitsfeiern, Parties... "Das Interesse war immer so: Statt gegrillte Bockwurst kommt jetzt Lyrik".
1996 fand im Café Wagner unter dem Titel "amselzwang" eine vielbeachtete Ausstellung zu dem vielleicht sprachgewaltigsten Dichter der sogenannten DDR-Subkultur statt. Seitdem gibt es hier immer wieder Veranstaltungen, die die Erinnerung an Werk und Person dieses "okkupationsmelancholischen" Dichters wachhalten. POESIE SCHMECKT GUT präsentiert (wie jedes Jahr) zum 16. Todestag von BAADER den Film Briefe an die Jugend des Jahres 2017, der kurz vor dessen Tod entstand.
GINO HAHNEMANN
Werktage vom 17.-18. Oktober 2008
in Weimar
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